Wie gefährlich ist die elektronische Patientenakte?

Wie gefährlich ist die elektronische Patientenakte?

Was haben die elektronische Patientenakte und das chinesische Sozialkreditsystem gemeinsam? Wenn es nach Psychotherapeuten geht, eine ganze Menge. Mit der sogenannten E-Akte geht nicht nur das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung verloren, es droht zugleich der komplette Verlust der eigenen Identität. In jeder beliebigen Konstruktion können digitale Doppelgänger entstehen und Identitäten nach Wahl einfach konstruiert werden.

Das Ausspähen von Daten

Die elektronische Patientenakte und ihre Nachteile, dies war das Thema auf dem 10. Kongress der Freien Ärzteschaft in Berlin. Die FA setzt sich dafür ein, dass Ärzte auch in Zukunft unabhängig bleiben, des Weiteren kritisiert sie die zunehmende Kommerzialisierung der Medizin, um noch mehr Rendite zu machen. Wer sich als Student an seiner Universität psychotherapeutisch behandeln oder nur beraten lässt, zieht eine Datenspur hinter sich her, und zwar das ganze Leben lang. Kommt jetzt, wie geplant, die E-Patientenakte dazu, dann nimmt das nach Meinung der Experten eine monströse Form der Datenschnüffelei an. Kommt die E-Akte, wird es ein Datenvolumen von gigantischem Ausmaß geben, das nicht nur medizinische, sondern auch sehr persönliche Informationen enthält.

Profile erstellen leicht gemacht

Mit der Hilfe von künstlicher Intelligenz lässt sich jede E-Akte gründlich durchkämmen, um anschließend persönliche Profile erstellen zu können. Der Bürger hat keine Möglichkeit mehr, über seine Identität zu bestimmen. So etwas wird schon beim Personalausweis klar, denn dort sind nicht nur der Name und das Geburtsdatum gespeichert, sondern ebenfalls besondere körperliche Merkmale und biometrische Informationen, wie der Fingerabdruck und ein Foto. Datenschützer befürchten, dass in Zukunft sogar Angaben zur DNA gespeichert werden. Auf diese Weise entsteht ein digitaler Doppelgänger im System. Dieser Doppelgänger wird nach Belieben verarbeitet und vor allem beurteilt, der Bürger selbst wird erst gar nicht mehr gefragt.

Siehe auch:  Die Pixel Watch – die neue Smartwatch von Google

Ganz nach Belieben

Schon das Heranziehen von Informationen, die sich nicht mehr ändern lassen, kann gravierende Auswirkungen haben. Dies ist bereits der Fall, wenn ein Name falsch geschrieben wird oder der Geburtsort nicht stimmt. Die Betroffenen können dann nach Belieben verhaftet und wie ein Niemand behandelt werden. Falls im Ausweis oder in der E-Akte zudem die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei steht oder vielleicht sogar begangene Ordnungswidrigkeiten und der ökonomische Status zu finden sind, kann der Staat diese Parameter ohne Probleme miteinander verknüpfen. In der Folge lassen sich die Informationen dann variabel konstruieren.

Das chinesische System

Heute ist es möglich, dass ein Algorithmus nach eigenem Interesse beliebige Informationsbausteine zusammensetzt und immer wieder neue Identitäten darauf „bastelt“. Kommt es zu einer Häufung von sozialen Eigenschaften, die nicht erwünscht sind, dann hat dies für die Betroffenen negative Konsequenzen. Die E-Patientenakte bietet diese Möglichkeit, die sich am chinesischen Sozialkreditsystem orientiert und in Echtzeit Informationen sammelt. Wer mit 1000 Startpunkten ins Rennen geht, kann diese durch nur wenige falsche Likes wieder verlieren.

Fazit zur elektronischen Patientenakte

Für die Mitglieder der Freien Ärzteschaft ist die geplante E-Patientenakte toxisch, da sie es ermöglicht, auf die Identität eines Menschen zuzugreifen und Einfluss zu nehmen. Von der Stunde der Geburt bis zum Tod wandern alle medizinischen Daten in einen riesengroßen Topf, der immer weiter anschwillt. Das Ganze sorgfältig zu ordnen, ein System anzulegen oder Berichte, Anamnesen und Gutachten einzupflegen, ist aus logistischer Sicht überhaupt nicht machbar und sehr wahrscheinlich auch gar nicht gewollt.

Bild: © Depositphotos.com / JadeThaiCatwalk

Nadine Jäger