Eine tiefergehende Sichtung von über 75.000 internen Nachrichten, Videos und anderen Dokumenten kam zum Vorschein und enthüllte das erschreckende Ausmaß dieser Attacken. Stichproben zeigten, dass die Adressen stimmten und bei zehn Politikern tatsächlich die Polizei vor der Tür stand. Das ist nicht einfach nur Streichniveau; es ist zutiefst erschütternd.
Swatting, ein Begriff der aus den USA importiert wurde und auf SWAT-Teams der Polizei anspielt, hat eigentlich keine harmlose Vergangenheit. In den Staaten führte es bereits zu zwei Todesfällen. Doch jetzt hat sich dieses Phänomen nach Deutschland verlagert und zielt alarmierend oft auf Personen im öffentlichen Leben ab.
Was besonders beunruhigend ist: Diese Trolle haben es durch geschickte Manipulation geschafft, durch illegale Abfragen in Polizeisystemen an Adressdaten zu kommen. Sie schnappten sich die Infos, indem sie sich am Telefon als Polizeibeamte ausgaben und andere reinlegten. Dies zeigt, wie kreativ, und leider auch erfolgreich, Cyberkriminelle heutzutage sein können.
Es ist offensichtlich, dass wir hier vor einer ernsten Bedrohung stehen, die nicht nur die Sicherheit der Betroffenen gefährdet, sondern auch ein dickes Fragezeichen hinter den Datenschutz und die Sicherheitsprotokolle der Polizei setzt. Man muss sich fragen, wie lang wir noch zusehen, bevor wirksame Maßnahmen ergriffen werden.
Berlin () – Zahlreiche Politiker in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz sind im September 2022 Opfer missbräuchlich ausgelöster Polizei- und Feuerwehreinsätze geworden. Verantwortlich für die Aktion sind offenbar sogenannte „Trolle“ aus dem Internet, wie gemeinsame Recherchen von „Spiegel“ und dem ARD-Politikmagazin „Kontraste“ ergeben haben.
Eine Gruppe besonders aktiver Online-Trolle, die sich „NWO“ nennt, hat demnach Listen mit Privatadressen von 77 ehemaligen und aktuellen Landtagsabgeordneten aus den beiden Bundesländern erstellt. Die Online-Mobber planten außerdem, Adressen von Bundestagsabgeordneten zu ermitteln. Das geht aus einer Analyse von mehr als 75.000 internen Nachrichten, Tonaufnahmen, Videos und weiteren Dokumente hervor, über die der „Spiegel“ und „Kontraste“ berichten.
Stichproben belegen, dass die Adressen korrekt sind und es Mitte September bei zehn Politikern wie etwa den CDU-Abgeordneten Anette Moesta und Michael Ludwig tatsächlich zu Notfalleinsätzen kam. Lisa-Marie Jeckel von den Freien Wählern in Rheinland-Pfalz bezeichnet den Vorfall als „beängstigend“. Am frühen Morgen des 11. September waren vor ihrem Haus mehrere Polizei- und Feuerwehrwagen vorgefahren.
Bei den Aktionen handelt es sich um sogenanntes Swatting. Das Phänomen der unrechtmäßig veranlassten Einsätze stammt ursprünglich aus den USA und leitet sich von Swat-Teams ab, schwer bewaffneten Polizeieinheiten. In den USA sind bereits zwei Menschen nach Swattings gestorben. In Deutschland wurden bisher vor allem Internetstars Opfer von Swatting. Nach Zählung einer Betroffenenorganisation traf es seit Februar 2022 allein 132 Streamer, die die Plattform Twitch nutzen.
Die Recherchen der beiden Medien zeigen, dass Mitglieder der NWO auch illegale Abfragen im internen Polizeisystem Polas nutzen, um an Privatadressen ihrer Opfer zu kommen. Dazu geben sie sich am Telefon als Polizisten aus und überlisten andere Beamte, ihnen die Informationen zu überlassen. Auf diese Weise gelangten sie im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen an die Adresse einer Frau, die sie offenbar unter Druck setzen wollten. Die Polizei in Konstanz ermittelt inzwischen gegen den anonymen Anrufer und den übertölpelten Polizisten.
„Dass diese Gruppe noch nicht überführt werden konnte, ist nicht zuletzt für die Opfer sehr schlimm“, sagte der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler. „Das ist ein Beispiel dafür, wie Cyberkriminelle im Netz und mit Telefonanrufen ihr Unwesen treiben können und gravierende Folgen in der realen Welt auslösen.“ Im Hinblick auf Swattings könne es zudem sinnvoll sein, „einen spezialisierten Paragrafen oder eine Änderung eines bestehenden Paragrafen“ zu prüfen, sagte Fiedler dem „Spiegel“ und „Kontraste“.
Text-/Bildquelle: | Übermittelt durch www.dts-nachrichtenagentur.de |
Bildhinweis: | Polizeiauto (Archiv) |
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