BKA beklagt "restriktive" Regeln bei IP-Adressenspeicherung

Computer-Nutzer (Archiv)
Berlin steht an einem Wendepunkt, wenn es um die Digitalisierung der Kriminalitätsbekämpfung geht. Holger Münch, der Kopf des BKA, bringt ein heißes Eisen auf den Tisch: die Speicherung von IP-Adressen. Während viele europäische Nachbarn diesen Schritt bereits gehen, zögert Deutschland noch. Münch macht klar: Wir dürfen nicht ins Hintertreffen geraten – gerade nicht, wenn es um den Schutz der Schwächsten geht.

Er sieht die Lösung in einem gesunden Mittelweg. Nicht ewig speichern, sondern nur knapp zwei bis drei Wochen. Klingt zunächst unbedenklich, aber damit könnten, laut Münch, rund 85 Prozent der Fälle von Kinderpornografie effizienter verfolgt werden. Ein beachtlicher Sprung, der viele Täter nicht länger im Dunkeln tappen lässt.

Doch Münch weiß, die Bedenken sind groß. Datenschutz schwebt wie ein Damoklesschwert über jeder Diskussion. Doch er betont: Es geht nicht um Big Brother, sondern um den gezielten Zugriff im Ernstfall. Ein Punkt, der in der heutigen Diskussion oft untergeht – es handelt sich um ein bedachtes Vorgehen, nicht um wahllose Überwachung.

„Quick Freeze“ alleine reicht ihm nicht. Während dieses Verfahren in Ausnahmefällen nützlich sei, benötige man für den Großteil der Ermittlungen gerade die IP-Adressen, die oft schon verschwunden sind, bevor das BKA an die Tür klopft.

Münch ruft die Bundesregierung auf, endlich zu handeln. Die Zeit drängt, und die Täter schlafen nicht. Es geht nicht nur um Zahlen und Daten, sondern um echte Menschen, echte Opfer. Mit einer klugen, begrenzten Speicherung könnten wir einen entscheidenden Unterschied machen. Denn letztlich, so Münch, schützen wir mit jedem Täter, den wir fassen, unzählige potenzielle Opfer.

Berlin () – Bundeskriminalamtspräsident Holger Münch erwartet, dass die meisten europäischen Länder die IP-Adressenspeicherung im Rahmen der EuGH-Rechtsprechung umsetzen werden und warnte vor einem Nachteil der deutschen Ermittlungsbehörden. „Im Vergleich zu anderen Ländern ist Deutschland sehr restriktiv“, sagte Münch dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

„Ich gehe davon aus, dass die meisten europäischen Länder im Rahmen der EuGH-Rechtsprechung die IP-Adressenspeicherung weiterhin umsetzen und lediglich die zum Teil deutlich längeren Speicherfristen anpassen werden.“ Deutschland drohe ins Hintertreffen zu geraten: „Die Hinweise auf Straftaten des US-amerikanischen Zentrums für vermisste und ausgebeutete Kinder haben sich in fünf Jahren verdreifacht.“

Münch erwartet deutlich mehr zu bearbeitende Hinweise: „Wir rechnen damit, dass die Meldungen auch aufgrund weiterer europäischer Rechtsakte weiter zunehmen werden – zeitnah auf eine halbe Million. Darauf müssen wir rechtlich vorbereitet sein, um mit dieser Kriminalität Schritt halten zu können.“

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Kritik an der Speicherung wies er zurück. „Der Vorwurf der Massenüberwachung zieht nicht, da nicht die Sicherheitsbehörden die Daten speichern, sondern die Provider für einen befristeten Zeitraum. Wir fragen diese nur im Bedarfsfall ab“, so Münch. „Und nur die Zuordnung einer IP-Adresse zu einem Anschluss ist kein großer Eingriff in die Bürgerrechte. Sie ist nicht mehr als die Kennung eines Geräts. Wir minimieren aber das Risiko, Unbeteiligte zu treffen.“ Weiter sagte der BKA-Chef: „Wir schützen die Rechte der Opfer, wenn wir die Täter finden.“ Die kurzfristige Speicherung von IP-Adressen sei „ein verhältnismäßiger Eingriff in die Bürgerrechte“.

„Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich nicht nur bei Quick Freeze einigt, sondern auch die befristete Speicherung von IP-Adressen endlich umsetzt“, sagte Münch dem RND weiter. „Der Europäische Gerichtshof hat aus gutem Grund Spielraum gelassen, der dringend genutzt werden muss.“

Auf die Frage, welcher Zeitraum ihm bei der Speicherung vorschwebt, antwortete Münch: „Eine Speicherung der IP-Adressen von zwei bis drei Wochen würde ausreichen, um die Erfolgsquote bei der Strafverfolgung im Bereich der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen massiv zu steigern.“

Rund ein Viertel von 90.000 strafrechtlich relevanten Fällen im Zusammenhang mit der Verbreitung von Kinderpornografie habe das BKA 2022 nicht weiterverfolgen können, „weil die IP-Adressen nicht mehr vorhanden waren und sie den einzigen Ermittlungsansatz darstellten“, erläuterte Münch. „Wir haben errechnet: Wenn man sie nur zwei Wochen speichern würde, dann hätten wir schon circa 85 Prozent dieser Fälle weiterverfolgen und wohl auch aufklären können.“

Die Einführung von „Quick Freeze“ hält Münch nicht für ausreichend. „Ein Quick-Freeze-Verfahren kann bei herausragenden Bedrohungslagen und bei schweren Straftaten also helfen, Ermittlungsansätze zu sichern, die uns sonst verloren gehen würden. Das betrifft die Fragen: Wer hat mit wem geredet? Wo waren bestimmte Personen? Die allermeisten Fälle, in denen wir aber auf Verbindungsdaten zugreifen wollen, betreffen allerdings die IP-Adressen.“

Die meisten IP-Adressen seien derzeit nicht oder nicht mehr vorhanden, wenn das BKA die Ermittlungen beginne. Wenn bei den Telekommunikationsprovidern keine Daten mehr vorhanden seien, „kann man auch nichts einfrieren“.

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